Erzähler
Sie möchten sicher wissen, worum es in dieser Geschichte geht. Ich werde Sie Ihnen erzählen, das mache ich sehr gerne, das müssen Sie mir glauben! Dass Sie mir glauben, das ist nämlich die Voraussetzung dafür, dass ich …, nein! Das darf ich ja jetzt noch gar nicht verraten. Halt! Jetzt muss ich kurz überlegen, wie ich es sage. Nun, dies ist also eine Familiengeschichte, die ich auf meine Weise erzähle, denn ich habe nicht so viel Erfahrung. Ich werde auch gelegentlich eingreifen und erklären, was hier so passiert, denn es ist eine sehr lange Geschichte. Die Geschichte über die Familie Engel.
Meine Geschichte beginnt jedoch mit Gerlinde Breitfuß, geborene Rotbusch, und Horst Breitfuß, das sind die Eltern von Anuschka. Zu dem Zeitpunkt, als Anuschka das helle Licht des Krankenhauses erblickte, war ihre Welt, nein, ich muss mich korrigieren, war die Welt ihrer Eltern keineswegs in Ordnung. Ihre Mutter und ihr Vater waren, wie soll ich sagen, ach, sehen Sie selbst ...

Gerlinde
Du tauchst hier einfach auf, wann und wie
es dir gefällt und du fragst mich nie,
wie es mir geht! All die schlaflosen
Nächte! Geschrei und volle Hosen,
ich meine die Windeln, und Stillen!
Ich würde gern mal wieder chillen!

Horst
Gerlinde, auch ich liebe mein Kind,
du bist jetzt ungerecht, wie ich find´,
ich bin der beste Vater der Welt!
Das Problem ist nur, ich hab kein Geld.

Gerlinde
Lügner! Was ich in deinem Gesicht
sehe, ist schamlos, glaube bloß nicht,
dass ich von dir abhängig bin, nein!
Ich nehme jede Arbeit an, mein
Leben für mein einziges Kind!


Horst
Wie schön, dass wir uns da einig sind!

Horst
Gerlinde, deswegen bin ich hier.
Ich nehme Anuschka mit zu mir!

Gerlinde
Horst, sprichst du im Fieber, ist dir schlecht?

Horst
Nein! Aber es ist dein gutes Recht,
dich zu verwirklichen! Du brauchst Zeit
für Freunde, Hobbys, deine Arbeit!
Das Kind wird fortan bei mir leben,
was sie braucht, das kann ich ihr geben!
Ich nehm sie mit zu mir nach Hause,
so hast du die verdiente Pause …

Gerlinde
Du kriegst nur deinen Namen zurück,
mehr nicht! Na gut, ich wünsche dir Glück!
Erzähler
Also, Sie ahnen es, Gerlinde und Horst waren zu diesem Zeitpunkt in ihrer Scheidungsphase. Denn wie soll ich es sagen, dieser Stern, so heißt es doch, dieser gute Stern, der über so mancher Beziehung steht, der hat sich bei den beiden nie gezeigt. Wobei, es hatte ihn vermutlich nie gegeben! Es gibt einfach diese Menschen, die ohne Stern aufeinandertreffen, in einer höchst komplizierten Form miteinander leben, ein Kind bekommen und sich dann in einer noch komplizierteren Form wieder voneinander trennen. Soweit das mit einem gemeinsamen Kind überhaupt möglich ist. Aber wo ist eigentlich die kleine Anuschka? Ach, da läuft sie ja.

Erzähler
Nun, Gerlinde und Horst ließen sich also scheiden. Und sie lebten ihre komplizierte Beziehung weiter in allen Fragen und Angelegenheiten, die nun das Kind betrafen. Sie wurden sich weiterhin nicht einig, in keiner Frage, in keiner Angelegenheit. Nicht über die Schlafenszeiten, nicht über die Auswahl von Spielzeug, nicht über die Kleidung. Sie wurden sich nicht einig, bei wem Anuschka welche Feiertage verbringen sollte und welcher Urlaub gut für sie war.

Gerlinde
Sie wird dort krank, da ist zu viel Wind!


Horst
Der Wind am Meer ist gut für das Kind!
Erzähler
Und Sie sehen, mittlerweile ist die
kleine Anuschka natürlich auch älter geworden, wobei sie da am Meer ja ganz schön eingepackt ist. Ich kann Ihnen an dieser Stelle versichern, dass sie auch sehr gesund war. Das lag natürlich auch
an der Ernährung, wobei, Sie können sich vorstellen, dass sich Horst und Gerlinde auch in der Ernährung niemals einig wurden ...

Gerlinde
Frisches Gemüse einmal am Tag,
viel Obst, Äpfel, Bananen, sie mag
auch Kirschen, nur die Nektarine
schmeckt ihr nicht. Hab ich Proteine
schon genannt? Nein! Wichtig ist Eiweiß!
Horst begreift nicht, was jeder Mensch weiß:
Ein Kind muss sich gesund ernähren!

Großeltern von Horst
Da hat sie recht! Wenn wir nicht wären,

Großmutter von Horst
dann würde Anuschka jeden Tag
Nudeln essen mit Horst und ich mag
gerne kochen für die zwei. Wir sind
die Großeltern von Horst. Schon als Kind
hat er bei uns sehr viel Zeit verbracht,
das war schön, wir haben viel gelacht.
Seine Eltern hatten Arbeiten
im Schichtdienst zu allen Uhrzeiten.
Er wurde verwöhnt von uns - ja schon -
als unser einziger Enkelsohn.
Doch um uns gehts ja nicht, wir tauchen
nicht mehr auf, es sei denn, Sie brauchen
Informationen zum Verstehen.
Tschüss dann, war nett, Sie mal zu sehen!
Erzähler
Nun haben Sie also auch die Großeltern von Horst kennengelernt und ein wenig über ihn erfahren. Ach, die Gerlinde, ja, ich verspreche, ich werde ehrlich sein, wenn es um die Gerlinde geht, später. Und ich werde die Wahrheit sagen, aber das dauert noch, denn etwas Wichtiges hätte ich jetzt fast vergessen: Es gab tatsächlich doch eine Sache, in der sich Gerlinde und Horst einig waren, ohne dass es zu einer Komplikation kam. Das war der Name! Also dass Anuschka auf keinen Fall Breitfuß heißen sollte, da waren sie sofort einer Meinung. Gerlinde und Horst wollten ihr Kind so auf jeden Fall vor wahrscheinlichen Hänseleien bewahren …

Gerlinde und Horst
Sie heißt Rotbusch, ja, das ist richtig,
ihre Psyche ist uns sehr wichtig!
Erzähler
Und das meinten die beiden auch ganz ehrlich und aufrichtig und von Herzen. Das kann ich Ihnen versichern! Vielleicht fragen Sie sich an dieser Stelle aber auch, wie es der kleinen Anuschka eigentlich so erging und wo sie die meiste Zeit verbrachte. Nun, sie war doch eher sehr selten bei den Großeltern von Horst, das Alter, Sie verstehen! Und Horst und Gerlinde waren für sie da, aber auch sehr beschäftigt mit all ihrem Leben drumherum.

Dolores
Ganz ehrlich! Das ist eine Frage
der Einstellung, was ich auch sage,
wenn ich mit Gerlinde spreche. Sie
haben genauso viel Zeit wie die
anderen Menschen auf der Erde,
vom Grundsatz her! Vermutlich werde
ich das später mal erläutern, wie
ich die Zeiterfindung sehe, die
unser Leben bestimmt. Nur heute
gehts um Anuschka, liebe Leute,
Gerlinde und Horst sind so richtig -
ne, ich find keine Worte. Wichtig
ist ja auch, wie es Anuschka geht!
Oh, wir wollen frühstücken, sie steht
da schon und wartet. Heute machen
wir Picknick, sie muss jetzt schon lachen.

Erzähler
Ja, das war die Künstlerin Dolores! Sie möchten jetzt verständlicher Weise etwas über Dolores erfahren. Nun, sie war eine Nachbarin von Gerlinde mit einem kleinen Atelier und stets geöffneter Tür. Nein, so stimmt es nicht ganz, ich möchte sagen, mit stets geöffneter Tür für Menschen, die sie mochte! Und die kleine Anuschka war ein Mensch, den sie von ihrer ersten Begegnung an ganz besonders, wobei, das war irgendwie anders. Es war wie ... Ich finde nicht die richtigen Worte. Dolores hat es so formuliert:

Dolores
Ich habe sofort Wärme gespürt,
etwas hat meine Seele berührt,
diese Verbundenheit mit Leben,
das neu und auch unverhofft neben
mir in Entwicklung ist, wie ein Bild
in der Entstehung, farbenfroh, wild.
Erzähler
Nun verstehen Sie vermutlich, dass ich nicht die richtigen Worte gefunden habe!
Dolores
Kindheit ist auf magische Weise
Inspiration - wie eine Reise
in das Leben über die Sinne.
Ich beobachte und beginne
mein Umfeld anders wahrzunehmen -
auch die Natur. Wir unternehmen
viele Ausflüge in Wälder und
durch Landschaften. Die Natur ist bunt,
wundersam in ihrer Dimension,
ich mein, jeder einzelne Farbton
entsteht doch ohne menschliches Tun -
wie von unsichtbaren Kräften, nun
wie soll ich sagen, hervorgebracht -
unbeeinflusst so wie Tag und Nacht.
Ziemlich phänomenal, finde ich
und es gibt noch viel mehr – vermutlich
werden wir nie alles erfassen!
Wenn wir unterwegs sind, dann lassen
die ganzen Erlebnisse in mir
Bilder reifen, die ich male, hier!

Erzähler
Und so verbrachte die kleine Anuschka die meiste Zeit ihrer Kindheit in dem bunten Leben von Dolores.
Und Gerlinde, die sagte dazu ...

Gerlinde
Dolores ist ein verrücktes Huhn!
Sie hat Ansichten vom Leben ..., nun,
sie lebt in ihrer eigenen Welt,
ich muss oft herzhaft lachen! Sie hält
Zeit für eine Erfindung! Na, hier
sind wir unter uns: Ich finde ihr
Leben chaotisch, aber manchmal
wünsche ich mir, ich hätte die Wahl,
Zeit auch so zu erleben, wie sie
es Anuschka möglich macht, denn die,
wie soll ich es sagen, Leichtigkeit
und selbst gewählte Form von Freiheit
zu leben ist bewundernswert! Doch
ich brauch Sicherheit und muss jetzt noch
ein wenig Kraft schöpfen, bevor es
weitergeht mit Horst, der ganze Stress,
den es gibt, das tut mir nicht gut und
es tut mir weh! Ja, mein Herz ist wund!
Erzähler
Nein, ich möchte nicht weiter auf die Streitereien eingehen, nur der Gerechtigkeit halber sollte Horst auch noch die Möglichkeit bekommen, sich dazu zu äußern, ich meine dazu, dass er schließlich doch eher wenig Zeit mit seiner Tochter verbrachte.

Horst
Ich bin für sie da, wann immer sie
mich braucht! Nur die Situation, die
ist halt schwierig. Ich bin sehr oft fort
und Anuschka tut ein bunter Ort
ohne Streit sehr gut, das weiß ich nun!
Gerlinde ist frei, sie kann doch tun,
was sie will, was immer ihr gefällt,
so wie ich. Ich bin ein Mann von Welt!
Erzähler
Jetzt haben Sie einiges aus der Kindheit von Anuschka erfahren und vermutlich ahnen Sie, dass möglicherweise noch etwas geschehen wird. Ich meine etwas, was dieser Geschichte eine Wendung geben wird. Etwas, womit Sie an dieser Stelle überhaupt nicht rechnen können, weil es eben unvorhersehbar war. Und es brachte wirklich alles, nein, ich möchte es von dem Tag an erzählen, an dem es passierte. Es war der zehnte Geburtstag von Anuschka.

Erzähler
Ja, das ist sie, aber hier hat sie noch nicht Geburtstag!
Erzähler
Und was an ihrem Geburtstag geschehen sollte, es gab ja auch eine Überraschung, das hat Anuschka ihrer Freundin ein paar Tage vorher so beschrieben:

Anuschka
Wir holen die Geburtstagstorte
vom Bäcker! Eine neue Sorte,
die hat Dolores für mich bestellt,
eine, die mir total gut gefällt,
mit Schokolade und mit Herzen
aus Marzipan, die sind rot, Kerzen
sind auch oben drauf, ist doch klar! Zehn
Stück, die muss ich auspusten. Dann gehn
wir nach Hause und ich packe die
Geschenke aus, wir essen Torte, sie,
ich meine Dolores, macht dann was
mit uns, eine Überraschung! Das
ist total spannend, echt, ich meine,
ich weiß nur, dass wir eine kleine
Reise oder eine Fahrt machen,
sie macht immer ganz tolle Sachen,
und du kommst schon zum Torte essen,
ja? Echt, das darfst du nicht vergessen!
Erzähler
Sind Sie jetzt ein wenig neugierig, was sich Dolores so besonderes für Anuschka überlegt hatte? Sie hat es Gerlinde natürlich gesagt, auf ihre Weise.

Dolores
Wir fahren ins Planetarium,
sie wünscht sich, was vom Universum,
also die Milchstraße und Sterne
zu sehen, sie möchte auch gerne
durch ein Riesenteleskop blicken
und Grüße in den Himmel schicken
Erzähler
Das war also die Überraschung. Aber als der Geburtstag gekommen war, musste zuerst die besondere Torte abgeholt werden und das Geburtstagskind war aufgeregt!

Anuschka
Da ist mein Lieblingsbäcker, ich kenn
ihn, der ist voll nett, ich glaub, ich renn´
Erzähler
Und während Anuschka beim Bäcker war, geschah es! Dolores wurde beim Überqueren der Straße von einem Auto erfasst! Nein, ich möchte nicht ins Detail gehen an dieser Stelle, denn ein Unfall ist immer eine schlimme Angelegenheit. Aber ich kann Ihnen versichern, dass der Krankenwagen schnell an Ort und Stelle war. Und als Anuschka an dem Unfallort angekommen war, da war Dolores schon im Krankenwagen. Aber der Notarzt, der stand noch auf der Straße und als er das Kind mit der Torte erblickte, sagte er etwas streng:

Notarzt mit etwas strenger Stimme
Geh schnell weiter, ein Unfall ist kein
schöner Ort, du solltest hier nicht sein!
Erzähler
Anuschka bemerkte gar nicht, dass ihr Tränen über die Wangen liefen, sie wollte doch nur wissen, was mit Dolores geschehen war.

Anuschka
Ich suche Dolores, was ist denn
passiert? Ich muss das wissen, ich kenn
sie, ist sie in dem Krankenwagen
da drin? Man! Du musst mir das sagen!
Erzähler
Doch der Notarzt war schon wieder im Krankenwagen verschwunden und auch die Sanitäterin hatte eigentlich keine Zeit, aber sie hatte Mitgefühl

Sanitäterin mit Mitgefühl
Geh jetzt nach Hause, Mädchen, so ein
Unfallort mit Blaulicht ist doch kein
schöner Anblick und auch kein Spielplatz
Tut mir ja leid für dich kleiner Fratz.
Erzähler
Die Sanitäterin verschwand im Krankenwagen und Anuschka blieb allein zurück. Nein, nicht ganz allein, denn es war auch noch eine Polizistin mit leichtem Kopfweh vor Ort. Das hatte sie allerdings schon vor dem Unfall gehabt.

ANUSCHKA
Wohin fährt denn der Krankenwagen?

Polizistin mit leichtem Kopfweh
Das kann ich dir leider nicht sagen.

Erzähler
Sie stand nun weinend da, sah dem wegfahrenden Krankenwagen hinterher und da beugte sich jemand zu ihr herunter, der zufällig den ganzen Unfall gesehen hatte. Es war Fred, der nette Straßenmusiker.

Fred, der nette Straßenmusiker
Das wird das Unfallkrankenhaus sein,
sah aus wie ein gebrochenes Bein
bei der Frau, es ging ihr noch ganz gut,
die kriegen das da hin! Nicht den Mut
verlier´n. Tschüss dann! Pass auf die Torte
auf, sieht gut aus, leckere Sorte!

Erzähler
Eigentlich meinte Fred, der nette Straßenmusiker, dass die kleine Anuschka nicht die Hoffnung verlieren sollte, aber der Anblick des Unfalls hatte auch ihn ein wenig erschüttert, sodass er für den Rest des Tages kein fröhliches Lied mehr singen mochte.
Und Anuschka? Ja, die beruhigte sich tatsächlich! Denn eines muss an dieser Stelle unbedingt gesagt werden: Sie war in den zehn Jahren ihres Lebens zu einem sehr selbstständigen Mädchen geworden und die Worte des Straßenmusikers bewirkten, dass sich diese durchaus verständliche Schocksituation, wie soll ich sagen, löste. Sie sah, dass sie noch immer ihre Geburtstagstorte Torte in ihren Händen hielt und dachte ...

Anuschka dachte
Die Torte hab ich fast vergessen!
Dolores will bestimmt was essen,
wenn sie in diesem Krankenhaus ist,
hoffentlich gibt’s da ne Gabel. Mist!
Erzähler
… und machte sich auf den Weg zum Unfallkrankenhaus.

Erzähler
Im Krankenhaus wurde ihr freundlich und hilfsbereit Auskunft gegeben, bis Anuschka tatsächlich an der richtigen Tür angekommen war. Hier musste sie klingeln und eine pflichtbewusste Krankenschwester öffnete.

Eine pflichtbewusste Krankenschwester
Na? Du willst doch nicht etwa hier rein?
Anuschka
Doch! Bitte! Dolores soll hier sein.
Eine pflichtbewusste Krankenschwester
Hier ist die Intensivstation!
Anuschka
Ja, ich muss zu ihr, ich weiß das schon!


Eine pflichtbewusste Krankenschwester
Kinder dürfen hier aber nicht rein,
das kann nämlich sehr gefährlich sein
für die kranken Menschen! Du kannst sie
anstecken, verstehst du? Viren, die
sind übertragbar und überall!

Anuschka
Ich bin gesund! Echt! Auf jeden Fall!

Eine pflichtbewusste Krankenschwester
Du musst jetzt gehen, es tut mir leid -
denn ich habe wirklich keine Zeit!

Erzähler
Ja, das hatte Anuschka sich anders vorgestellt, aber ich kann Ihnen an dieser Stelle verraten, dass sie sich nicht so einfach abwimmeln ließ, wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hatte. Sie suchte sich also einen bequemen Platz und begann ein wenig von ihrer Geburtstagstorte zu probieren.
Dann sah sie, wie sich die Tür zur Intensivstation öffnete und die pflichtbewusste Krankenschwester sich von einer Kollegin in den Feierabend verabschiedete.
Anuschka nahm ihre Torte, ging wieder zu der Tür und klingelte noch einmal. Diesmal öffnete ihr ein lässiger Krankenpfleger.

Anuschka
Ich möchte zu Dolores ans Bett
Ein lässiger Krankenpfleger
Bist du mit ihr verwandt? Bist du nett?
Anuschka
Na klar, und ich hab diese Torte
Ein lässiger Krankenpfleger
Cooles Teil, mir fehlen die Worte


Anuschka
Ich geb dir auch ein Stück ab. Zwei? Drei!
Ein lässiger Krankenpfleger
Alles klar, komm rein, ich bin dabei!

Erzähler
So kam Anuschka tatsächlich bis an das Krankenbett von Dolores, die nach diesem Unfall noch ein wenig blass im Gesicht war! Aber ich kann Sie beruhigen, denn sie sollte nur zur Beobachtung für eine Nacht auf der Intensivstation bleiben. Die Ärzte waren noch etwas in Sorge über ihren Bewusstseinszustand und möglichen Folgen einer leichten Gehirnerschütterung. Anuschka lief also zu Dolores hin, die sofort versuchte, das erschrockene Mädchen zu beruhigen.

Dolores
Anuschka, was machst du hier bei mir?
Lauf jetzt schnell nach Hause, du brauchst dir
keine Sorgen um mich machen, denn
mir ist gar nichts passiert, glaub mir! Wenn
ich Hilfe brauche, dann kommt eine
Schwester. Du hast Geburtstag, deine
Überraschung, die bekommst du noch
in ein paar Tagen, versprochen! Doch
jetzt feier schön, mir geht es hier sehr
gut, ich hab auch keine Schmerzen mehr!

Dolores
Außerdem, das verrat ich dir, sitzt
mein Schutzengel hier und lacht verschmitzt
vor sich hin, passt auf mich auf und wacht
an meiner Seite, die ganze Nacht!
Ich seh ihn dort auf einem Stuhl am
Fußende, ganz still, etwas seltsam!


Anuschka
Echt? Aber wie geht es ihm denn jetzt?
Hat der sich beim Unfall auch verletzt?

Dolores
Ein Engel kann sich nicht verletzen,
das liegt an himmlischen Gesetzen!
Erzähler
Nein, Anuschka konnte am Fußende von Dolores Bett überhaupt nichts sehen, nicht einmal einen Stuhl, aber sie war tatsächlich beruhigt und sie hatte ja immer noch Geburtstag und außerdem einiges erlebt, was sie jetzt unbedingt ihren Eltern und ihrer besten Freundin erzählen musste.

Anuschka dachte
Ich wusste ja nicht, dass sie einen
Schutzengel hat! Jetzt kann ich meinen
Geburtstag feiern, hurra, ein Glück,
ich lauf sofort nach Hause zurück!
Erzähler
Während Dolores eingeschlafen war, lief Anuschka also nach Hause zurück.

Erzähler
Zu Hause angekommen, erzählte Anuschka ihrer Mutter aufgeregt, was geschehen war und Gerlinde war sehr erschrocken und besorgt, als sie hörte, dass es einen Unfall gegeben hatte und Dolores nun im Krankenhaus lag. Ach, eines wissen Sie ja noch gar nicht, Anuschka ist in einer Zeit geboren, in der es noch keine Handys gab!

Gerlinde
Meine Güte, was für ein Schrecken
muss dir jetzt noch im Körper stecken!
Bin ich froh, dass dir nichts geschehen
ist, ich kann keine Wunde sehen.

Anuschka
Nein! Weil ich doch vorgelaufen bin
zum Bäcker, ich wollte da schnell hin
und ein Schutzengel ist mitgerannt!
Ja bestimmt! Er war an meiner Hand!
Erzähler
Nun, Gerlinde glaubte überhaupt nicht an so etwas wie Schutzengel. Aber sie war so erleichtert, dass ihrer Tochter nichts geschehen war, dass sie auf keinen Fall widersprechen wollte, schon gar nicht an ihrem Geburtstag. Sie behielt ihre Gedanken für sich.

Gerlinde dachte
Dolores glaubt an Schutzengel? Nein!
Die Träumerin, das darf nicht wahr sein!
Was hat der von Dolores gemacht,
wenn das Auto sie fast umgebracht
hätte? Wollte er sie bestrafen?
Wofür? Der muss doch fest geschlafen
haben! Dem würde ich sofort meine
Meinung sagen! Nur gibt es keine
Engel, die unser Leben schützen
oder sonst wie im Alltag nützen!
Erzähler
Und falls Sie wie Gerlinde zu den Menschen gehören, die nicht an Schutzengel glauben, klicken Sie hier.
Ich verstehe das! Es ist ein Dilemma. Wie soll man denn auch an etwas glauben, was man überhaupt nicht sehen kann!

Die Fortsetzung kommt.