Hamburg ist eine tolerante, weltoffene Stadt. Das kann man erleben, wenn man die Filiale einer großen Buchhandlung aufsucht, um eine Buchbestellung abzuholen.
Die Mitarbeiter sind geschult, hilfsbereit und offen gegenüber allem, was ihnen so gegenübersteht. Ich zum Beispiel.
Der junge Mann, der zu mir an den Tresen für die vorbestellten Bücher eilte, begrüßte mich mit einer zu dieser Bücherecke durchaus passenden Frage: „Möchten Sie ein Buch abholen?“ „Ja“, sagte ich, woraufhin er freundlich wartete und ich hinzufügte: „Norbert Elias.“ Der Mitarbeiter zögerte, blickte mich an, die Augen groß, der Mund für wenige Sekunden offenstehend. Ich stutzte, auch für wenige Sekunden, da er schwieg, sich nicht regte, und ich schlussfolgerte, dass ich zu voreilig davon ausgegangen war, die Bücher wären nach Autorennamen sortiert.
Ich wollte ihm bei seiner Suche nach meinem Buch behilflich sein und fügte schnell hinzu: „`Etablierte und Außenseiter´.“ Jetzt schwieg der junge Mann erst recht. Er rieb sich die Stirn, starrte mich weiter an, eindringlich, wobei ich ein feines für mich nicht zuzuordnendes Lächeln in seinen Augen zu erkennen meinte. Er schluckte und gab sich endlich einen Ruck, vermutlich, um die Situation für sich und mich professionell und souverän zu retten: „Norbert Elias, das ist aber nicht Ihr Name, oder?“ Meiner? Ich war beeindruckt!
In meinen zurückliegenden mehr als vierzig Jahren war ich immer umgehend und zweifelsfrei als Mädchen und später als Frau erkannt worden.
Möglicherweise hielt er mich für eine Frau, die sich nach der ersten Hälfte ihres Lebens entschlossen hatte, die zweite Hälfte als Mann zu verbringen und mit dem Namen Norbert begann. Ich lachte nach innen, nannte meinen Namen, bekam mein Buch und ging als Frau. So wie ich gekommen war. Dennoch, die Vorstellung, wenn auch nur für eine gewisse Zeit, als das andere Geschlecht das Leben zu erleben, hat ihren Reiz. Nur eines steht für mich fest: Ich würde mich niemals Norbert nennen.