„Deine kleine Holzkiste, die hat schon deiner Großmutter gehört“, erzählte mir mein Vater, als ich ein Teenager war, „sie trug sie bei sich, damals auf der Flucht, der Krieg, weißt du.“
Die Großmutter floh zu Fuß, ihre Heimat im Rücken, ein Kind an der Hand, ein weiteres auf einem Karren oder Schlitten, vermutlich.
Es war Winter und der Großvater an einem fernen Ort, wo er auf sie wartete und den sie erreichte, nach einer Flucht, über die sie nicht sprach. Vielleicht, weil nach dem Krieg keine Zeit dafür war. Und später, als sie in dem Haus wohnte, das der Großvater gebaut hatte, als es genug zu essen und zu trinken, sogar eine gut gefüllte Vorratskammer gab, als das jüngste ihrer acht Kinder längst zur Schule ging, die ältesten bereits fortgezogen waren, mit den Enkelkindern nur sehr selten zu Besuch kamen, als es in dem Haus still wurde und sie endlich Zeit gehabt hätte, da starb die Großmutter.
An einer Lungenembolie, wie es aus dem Krankenhaus hieß, in das sie niemals gewollt hatte, in das sie dennoch vom Großvater gebracht worden war. An gebrochener Seele, wie es in der Familie hieß, heimlich, als könne es der Großvater in der Ferne hören. Großvater, der eine andere Frau in das gemeinsame Haus einziehen ließ, als die Großmutter noch lebte, die sich trotzdem nie über ihn beklagte.
Vielleicht, weil er einmal ein anderer Mensch gewesen war, vor dem Krieg, als sie ihn kennenlernte. Die Großmutter starb an einer Lungenembolie. Vielleicht aber auch, weil sie wusste, dass ihr für einen weiteren Neuanfang die Hoffnung fehlte. Hoffnung, die sie stärkte, als sie vor der Flucht die kleine Holzkiste packte. Die Hoffnung auf ein glückliches Leben.